Wenn jemand von Virtual Reality (VR) spricht, woran denken Sie dann zuerst? Spiele? An Pornos? Wenn ja, dann sind Sie nicht allein. Und das auch aus gutem Grund. Ohne diese beiden technologischen Wegbereiter (und ja, offensichtlich haben Pornos einen Einfluss auf die Technik) hätte sich VR vielleicht nicht annähernd so schnell weiterentwickelt. Wer sonst würde die Hardware-Verkäufe ankurbeln, wenn es nicht schwitzende junge Männer gäbe, die ihre alternativen Realitätsphantasien ausleben wollen?
Wie auch immer die Antwort lauten mag, immer mehr Menschen nutzen VR für mehr als nur den Kitzel und das Schlagen von Schwertern. Mit ihrer Fähigkeit, unsere Sinne zu verwirren und uns in so ziemlich alles hineinzuversetzen, dauerte es nicht lange, bis ein paar fleißige Erfinder neue (und wohl auch produktivere) Wege fanden, sie zu nutzen.
Jetzt wird VR in vielen Berufsfeldern eingesetzt, wo sie als Ausbildungshilfe immer mehr an Bedeutung gewinnt. Insbesondere Berufe, in denen die Erstellung realistischer Trainingsszenarien schwierig, teuer oder gefährlich ist, profitieren am meisten davon. Man denke nur an Chirurgen, Rettungssanitäter, Piloten, usw. Aber auch Unternehmen mit sehr viel einfacheren Ausbildungsanforderungen und einer hohen Mitarbeiterzahl und -fluktuation schenken der VR große Aufmerksamkeit. Hier bietet VR eine kosteneffiziente Lösung, bei der sich die anfängliche Investition dank der drastisch gesunkenen Ausbildungskosten schnell amortisiert.
Wenn wir uns mit anderen Einsatzmöglichkeiten der virtuellen Realität befassen, werden die Dinge etwas interessanter, vor allem wenn es um die Behandlung verschiedener Krankheiten geht. Einige dieser Anwendungen liegen auf der Hand und nutzen die Fähigkeit der VR, ihre Nutzer in vollem Umfang einzutauchen. Andere – und hier wird es noch interessanter – sind eher unintuitiv.
Ein intuitiver Einsatz für VR: Expositionstherapie
Eine der intuitiveren Anwendungen von VR ist die Virtual Reality Exposure Therapy (VRET), bei der Therapeuten die Technologie auf das bekannte Gebiet der Expositionstherapie anwenden. Die Fähigkeit der VR, den Benutzer vollständig in jede erdenkliche Situation zu versetzen, erweist sich bereits als praktikable Alternative zur realen Exposition, was angesichts einiger der sich dadurch eröffnenden Möglichkeiten ein Glücksfall ist.
Nehmen wir zum Beispiel den Fall von PTBS als Folge eines Kriegstraumas. Eine wirksame Expositionstherapie setzt voraus, dass der Patient realistischen Reizen ausgesetzt wird, die denjenigen ähneln, die das ursprüngliche Trauma verursacht haben. Während dies bei der Überwindung der Angst vor Spinnen kein großes Problem darstellt, wäre die Nachstellung traumatischer Ereignisse in einem Kriegsgebiet – falls überhaupt möglich – bestenfalls teuer und schlimmstenfalls gefährlich. Die Verbesserungen in der VR-Technologie eröffnen nun jedoch die Möglichkeit, genau das zu tun, ohne die Kosten oder die Gefahr, es in der Realität zu tun.
Außerdem erweist sie sich als äußerst wirksam. Eine mehrjährige Studie der Universität Cardiff und des Cardiff and Vale University Health Board (CVUHB) hat ergeben, dass VRET bei zwei Dritteln der Teilnehmer zu erheblichen Verbesserungen geführt hat. Dies ist bereits vergleichbar mit den Erfolgsquoten der traditionellen Expositionstherapie, die zwischen 60 und 90 % liegen.
Der Erfolg dieser Studie kam zu einer Zeit, als VR noch in den Kinderschuhen steckte. Mit der Verbesserung der Technologie und der Erforschung anderer Therapietechniken könnten die Erfolgsquoten den besten Erfolgsquoten der Expositionstherapie im wirklichen Leben entsprechen, selbst in komplexen Fällen wie der Behandlung von Kriegstraumata.
Das Unintuitive: Behandlung der Bewegungskrankheit mit VR
Wenn die virtuelle Realität nicht nur dafür bekannt ist, eine leistungsstarke immersive Technologie zu sein, dann dafür, dass sie bei ihren Nutzern die Reisekrankheit auslösen kann. Tatsächlich sind die desorientierenden Effekte so häufig, dass der Begriff “ Cyberkrankheit“ geprägt wurde, um das Phänomen zu beschreiben.
Abgesehen von den neuen Begriffen ist die Wirkung anderen Formen der Reisekrankheit gar nicht so unähnlich. Man geht davon aus, dass sie ausgelöst wird, wenn die Bewegungen des Körpers nicht mit dem übereinstimmen, was die Augen sehen.
In Anbetracht dessen ist es überraschend, dass die virtuelle Realität nun zur Behandlung der berüchtigten Bewegungskrankheit eingesetzt wird.
Bislang bleibt dies eine Nischenanwendung der VR. Das bahnbrechende Gerät in diesem Bereich, See-LEVEL, wurde erst kürzlich auf den Markt gebracht und richtet sich hauptsächlich an kommerzielle Betreiber von Seeschiffen. Die Prinzipien gelten auch für viele Formen der Bewegungskrankheit, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir ein VR-Headset auf dem Rücksitz des Familienautos für genau diesen Zweck sehen könnten.
Virtuelle Realität: Die harte und die weiche Seite des Problems
Während sich die Anwendungsbereiche für Virtual Reality immer weiter ausdehnen, hat ein eifriger Fokus auf die Hardware-Entwicklung die Preise für VR-Headsets weiter sinken lassen und gleichzeitig schrittweise Upgrades ermöglicht. Dies kam den meisten Anwendungsfällen der Virtual-Reality-Technologie zugute, da für die meisten nur ein Standard-VR-Headset erforderlich ist.
Auf der Softwareseite sieht die Situation ein wenig anders aus. Obwohl vieles, was für die Implementierung von VR in Software benötigt wird, für alle Anwendungen und Plattformen gleich ist – zum Beispiel die Verfolgung von Bewegungen und die Positionierung von Assets im 3D-Raum -, hat die Entwicklung in diesem Bereich nicht annähernd die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient.
Erfreulicherweise widmen sich nun einige Unternehmen diesem Problem und beabsichtigen, die Entwicklung von VR-Software auf die gleiche Weise zu kommerzialisieren wie die von Hardware. So positionieren sich Unternehmen wie XRApplied bereits als Marktführer in einer Vielzahl von Bereichen durch Software Development Kits (SDKs), die als Bausteine für Anwendungen von VRET bis hin zu Mitarbeiterschulungen dienen.
Wo früher das Rad neu erfunden werden musste, ist es jetzt einfach, fertige Komponenten von XRApplied einzusetzen. Dadurch wird die VR-Entwicklung so erschwinglich, dass sich nun auch KMUs und unterfinanzierte Forscher mit maßgeschneiderten VR-Anwendungen befassen können, was eine Welt eröffnet, in der VR endlich in ein reiferes Stadium eintritt.
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(Bildrechte Cover Foto: Fauxels via Pexels)
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