Interview – Insights von einem institutionellen Trader

Trading ist ein Beruf in dem man sich ständig fortbilden muss, sonst wird man früher oder später nicht mehr mithalten können.
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Für alle die einen Einblick in den Bereich des Institutionellen Tradings gewinnen wollen, bietet dieses Interview mit einem Institutionellen Trader Informationen aus erster Hand, viele interessante und wissenswerte Insights aus dem Alltag, sowie eine Reihe Tipps für private Anleger.

Anstatt über statistische Methoden im Börsenhandel, oder der Widerlegung von Börsen-Floskeln zu berichten, habe ich für Statistic Trading ein Interview mit einem institutionellen Börsenhändler geführt.  

Der institutionelle Trader heißt Marc Gründer, ist 23 Jahre jung und arbeitet bei einer renommierten Vermögensverwaltung als Börsenhändler.

Aus dem Interview sollten private Anleger und Trader viele nützliche Informationen beziehen können.

Statistic-Trading: Hallo Marc, bevor wir mit dem großen Interview beginnen, stelle dich doch bitte unseren Lesern vor.

Marc Gründer: Gerne, mein Name ist Marc Gründer ich bin 23 Jahre alt, gebürtiger Hannoveraner und lebe aktuell in Bayern. Ich arbeite dort als institutioneller Händler in einer Vermögensverwaltung.

 

Statistic-Trading: Fangen wir mit einer Frage an, die sich bestimmt die meisten Trader stellen: Wie wird man institutioneller Trader?

Marc Gründer: Nun da gibt es natürlich mehrere Wege. Ich bin über meine persönlichen Beziehungen zu meinem Arbeitgeber gekommen. Man kann das aber natürlich auch über eine Bankausbildung, oder durch eine Bewerbung mit entsprechenden Referenzen schaffen.

 

Statistic-Trading: Seit wie vielen Jahren bist du an den Börsen dieser Welt aktiv und kamst du schon vor deinem Beruf als institutioneller Trader an die Börse, oder war das dein Einstieg?

Marc Gründer: Mein Interesse für die Börse begann als ich zur Konfirmation eine Goldmünze von meinem Vater geschenkt bekam. Ich beobachtete von dem Zeitpunkt an, an jedem Tag die Entwicklung des Goldkurses, entdeckte aber auch schnell weitere Rohstoffe und andere Assets wie Aktien. Das ist nun mittlerweile fast 10 Jahre her. Angefangen habe ich mit dem Handeln von Öl, hier entwickelte ich meine ersten eigenen Strategien und setzte diese um. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Auch Aktien begeisterten mich, wobei ich hier immer auf einen „Turnaround“ spekulierte (und das bis heute mache).

Die Probleme der meisten privaten Trader sind Gier und falsche Faulheit

Statistic-Trading: Wir haben uns durch einen Artikel von mir kennengelernt, den ich auf einem Forum auf Facebook veröffentlicht habe. Du bist also auch in solchen Foren aktiv und siehst damit, welche Themen dort diskutiert werden. Begonnen bei Support und Resistance bis hin zu „ganz einfach programmierten Handelssystemen die den Markt outperformen“. Was kannst du uns aus deiner institutionellen Sicht sagen, worauf die privaten Trader achten, und an welche Themen sie ihre Zeit nicht verschwenden sollten?

Marc Gründer: Ja, ich schaue (auch auf Facebook) nach qualitativen Content. Trading ist ein Beruf in dem man sich ständig fortbilden muss, sonst wird man früher oder später nicht mehr mithalten können, das gilt eben auch für Institutionelle. Ich denke, dass die Probleme der meisten privaten Trader Gier und falsche Faulheit sind, auf beides möchte ich gerne eingehen. Das Gier ein großes Problem ist sehen wir bereits an den vielen Menschen die auf Binäre Optionen oder ähnliches hereinfallen. Aber auch im CFD Trading werden die Positionen viel zu groß gemacht, da ihnen der mögliche Gewinn nicht reicht. Dabei sollten sie sich viel mehr um ihre Verluste kümmern und ein ordentliches Risikomanagement haben. Das andere große Problem, die falsche Faulheit, ist dass sie ihre Handelsstrategien nicht testen. Wie sollen sie denn überhaupt wissen was die richtige Positionsgröße ist, wenn sie nicht mal die maximale Verlustserie o.ä. kennen? Das sieht man ganz besonders bei vielen „gecoachten“ Tradern, diese stellen nie ihre Coaches in Frage, was dazu führt, dass sie nie ihr beigebrachtes „Wissen“ überprüfen. Die „richtige Faulheit“ wäre die Handelsstrategie zu testen und diese zu programmieren.

 

Statistic-Trading: Kannst du vielleicht noch etwas genauer auf die „richtige Faulheit“ eingehen?

Marc Gründer: Wer faul sein möchte muss erstmal fleißig sein. Denn die Arbeit im Trading ist nicht das Traden selbst, sondern die ganze Vorarbeit. Sprich, eine Strategie entwickeln, testen, optimieren und auf ihre Stabilität prüfen. Im Idealfall programmiert man diese auch damit man in Zukunft „faul“ sein kann und nur noch die Endergebnisse überprüfen muss.

 

Statistic-Trading: Kannst du uns vielleicht ein wenig in deinen Trading-Alltag einführen, einen Einblick in die Welt des institutionellen Tradings gewähren?

Marc Gründer: Nun, mein Arbeitstag beginnt jeden Tag gegen 8:30 Uhr mit den Handelsvorbereitungen. Ab 9:00 startet die erste Handelssession die ca. bis zum Mittag geht. Danach verbringe ich die Zeit bis zur zweiten Handelssession, welche mit der Eröffnung der Wall Street startet, mit dem Entwickeln von neuen Handelsstrategien und dem Auswerten von Statistiken. Die Zweite Handelssession endet dann gegen 21:00.

Ich handel ausschließlich nach Charttechnik, der leichtesten Variante zu traden

Statistic-Trading: Also ein voller Arbeitstag. Kommen wir auf die eher allgemeineren Themen zu sprechen. Bevor wir uns noch weiter über algorithmierte Systeme unterhalten. Wie stehst du, persönlich, zum Thema Charttechnik? Wie stehst du zu diesem Thema und hast du persönliche Erfahrungen?

Marc Gründer: Ich selbst handel ausschließlich nach Charttechnik. Meiner Meinung nach ist das auch die leichteste Variante zu traden und auch die am leichtesten erlernbare. Auch ist sie verhältnismäßig leicht adaptierbar auf neue Setups, wodurch man „messbare“ Ergebnisse erhält. Ein weiterer Vorteil ist, dass man sein Setup relativ leicht “backtesten” kann, wodurch man schnell sieht, ob diese Strategie einen Edge hat, oder eben nicht. Man sollte jedoch je nach Asset weitere Faktoren betrachten, so handle ich nicht bei großen Nachrichten wie beispielsweise einer EZB Zinsentscheidung. Bei Aktien sollte man (je nach Haltedauer) auch mal einen Blick auf News, oder die Kennzahlen werfen.

 

Statistic-Trading: Und wie stehst du zum Scalping? Wenn man so in Foren liest ist dies die „Königsdisziplin“ des Tradings. Stimmst du dem zu?

Marc Gründer: Nein absolut nicht. Es gibt beim Scalping, genau wir auch bei allen anderen Methoden, Leute die damit gut verdienen. Es ist ein Bereich wie auch das Day-, Swing- und Positionstrading. Wer aber glaubt, dass er dort ein leichteres Spiel hat der irrt gewaltig. Leider gibt es zu viele Scalper auf Facebook die suggerieren, dass es total einfach wäre und man damit „(…) über 400 % im Monat“ machen kann. Im gleichen Moment sagt derjenige aber auch, dass er in einer schlechten Woche 50 % seines Kapitals verloren hat, was ist das für ein Risikomanagement? Generell gilt: Je höher die Handelsfrequenz, desto geringer die Positionsgröße. Das ist mathematisch lediglich eine Verschiebung und das Endergebnis gleich bzw. ähnlich.

 

Statistic-Trading: Jetzt hast du ein sehr interessantes Thema angesprochen: die Rendite. Was ist denn eine realistische Rendite die ein Trader erwirtschaften kann? Was sagt dir da deine Erfahrung?

Marc Gründer: Die Renditeerwartungen werden immer wieder heiß diskutiert. Das große Problem ist, dass sie immer an das Risiko gebunden ist. Auch fällt sie von Jahr zu Jahr anders aus, da der Markt nicht jedes Jahr gleich läuft. Bei einem konservativen Handel, mit einem maximalen Drawdown von 7,5 % – 15 %, sollte sie bei circa 20 % – 40 % liegen. Selbstverständlich sind Ausreißer möglich.

Wer seine Strategie wirklich kennt, braucht nicht mental stark zu sein

Statistic-Trading: Welche Faktoren sind denn, von denen du ausgehst, wirklich wichtig um eine stabile Rendite über einen langfristigen Zeitraum erwirtschaften zu können? Ist es eher die Psyche, das Risk- und Moneymanagement, die Strategie an sich, oder vielleicht ganz andere Faktoren?

Marc Gründer: Ich denke, dass die Psyche überhaupt keine Rolle spielt. Ein Mensch der seine Strategie wirklich kennt braucht nicht mental stark zu sein. Er weiß genau was er zu tun hat und zu welchem Ergebnis das führt. Es hängt einzig und allein an der Strategie, denn wer seine Strategie kennt weiß wie viel er riskieren darf und wie viel eben nicht. In einer guten Strategie ist das Risikomanagement bereits vorgegeben und nicht jedes Mal anders. Leider wird die Psyche der Leute von vielen Coaches als Sündenbock für das Versagen missbraucht. Meiner Meinung nach braucht man nur dann eine starke Psyche, wenn man sich nicht sicher ist ob das was man tut, auch wirklich funktioniert.

 

Statistic-Trading: Sehr interessante Sichtweise. Ich würde gerne auf ein anderes Thema zurückkommen, woran glaubst du liegt es, dass die institutionellen Händler, prozentual gesehen, viel mehr Geld an der Börse verdienen, als der private Trader? Ist die Marktansicht solch eine andere, oder liegt es vielleicht daran, dass ein institutioneller Trader es tatsächlich mehr als Arbeit sieht und somit mehr Arbeit hineinsteckt, als ein privater Trader?

Marc Gründer: Wir sehen die Märkte genauso wie alle anderen auch, aber haben aber einen enormen Wissensvorsprung da wir uns den ganzen Tag damit beschäftigen. Das Problem mit den privaten Tradern ist, dass sie Traden als „die Arbeit“ ansehen. Das ist es aber nicht, sondern die beschriebene Vorarbeit macht 90 % der Arbeit aus. Das Traden an sich ist lediglich die Umsetzung der Strategie.

 

Statistic-Trading: Jetzt ein etwas anderes Thema das viele interessiert. Ich frage dich das mal geradeheraus: Betrügen Broker ihre eigenen Kunden, oder verstehen nur die meisten einfach deren Funktionsweise nicht? Oder liegt es daran, dass der Mensch generell irgendeinen Schuldigen für sein eigenes Versagen sucht?

Marc Gründer: Leider teilweise ja, ich denke jeder hat die Geschichte mit FXCM mitbekommen. Das Problem für die privaten Trader ist einfach, dass sie nicht prüfen können welche Broker saubere Arbeit leisten und welche nicht. Ich persönlich kann nur empfehlen einen Broker zu benutzen der innerhalb der EU seinen Sitz hat, dann stehen die Chancen schon recht gut. Auch sollte man Market-Maker Broker lieber meiden. Aber ich möchte an dieser Stelle den „Miesepeter“ auch nicht auf die Broker schieben, denn die meisten Trader verlieren auch von alleine. Ich hoffe, die meisten Trader wissen ungefähr was ein Broker in der Theorie macht.

Statistiken haben beim professionellen Trading einen hohen Stellenwert. (Bildquelle)

Statistic-Trading: Da werden jetzt wohl die meisten zu knabbern haben an der Info. Vielen Dank. Jetzt würde ich sehr gerne eine Frage stellen, die mir besonders am Herzen liegt: Welchen Stellenwert hat die Statistik für dich beim Trading?

Marc Gründer: Einen sehr großen, ohne Statistik kann ich keine vernünftige Strategie entwickeln. Man kann auch kein sinnvolles Risikomanagement machen. Wenn man keine Statistik und somit keine vernünftige Grundlage hat, ist es viel mehr ein Glücksspiel.

 

Statistic-Trading: Kannst du uns vielleicht etwas von deinen größten Erfolgen und Niederlagen erzählen? Wo hattest du den größten „Euphorie-Schub“ und wo ist vielleicht auch mal was kaputt gegangen?

Marc Gründer: Wie ich bereits sagte spielt die Psyche nur eine Rolle wenn man das „Spiel“ noch nicht richtig verstanden hat. Dementsprechend war es bei mir vor allem ganz am Anfang ein großes Thema. Ich kann mich noch gut an die Euphorie erinnern als ich mein Depot mit dem Handeln von Öl (in kürzester Zeit) auf über +70 % bringen konnte. Genauso gut kann ich mich aber auch erinnern wie ich alles wieder verlor und das Konto „geerdet“ habe. Diese Gefühle sind am Anfang völlig normal, haben aber im professionellen Bereich nichts mehr verloren!

 

Statistic-Trading: Was ist deine Meinung zum Thema der Diversifikation? In vielen Büchern, aber auch von vielen Coaches, hört man, dass Diversifikation eine sehr wichtige Sache sei, stimmst du dem zu? Was bedeutet Diversifikation für dich?

Marc Gründer: Wir sind hier nicht beim Investieren, sondern beim Trading. Das sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen. Klar kann man viele verschiedene Assets handeln, dann muss man sich aber auch die Arbeit machen und jeden Markt statistisch auswerten. Man könnte jetzt sowohl das Spezifizieren als auch das Diversifizieren argumentativ untermauern, aber ich denke weniger Assets ist besser.

 

Statistic-Trading: Führst du ein Tradingtagebuch? Wie wichtig findest du es, dass man seine Trades systematisch dokumentiert?

Marc Gründer: Nein tue ich nicht. Das kommt jetzt für viele vermutlich überraschend, aber sowas macht man nur am Anfang. Die Trades werden ja alle automatisch vom Broker in der Trade history dokumentiert. Diese wird dann mit dem Handelsprogramm bzw. dem Backtest abgeglichen. Stimmt das überein, ist alles ok.

 

Statistic-Trading: Ich würde gerne nochmal zu deinem „Trading-Stil“ zurückkommen. Wie sicherst du deine Trades ab? Hast du eine bestimmte Stop-Loss-Technik, oder setzt du vielleicht gar keinen Stop-Loss und hedgest deine Position? Kläre uns auf.

Marc Gründer: Ich setze keinen Stopp-Loss beim Broker. Das hat den einfachen Grund, dass ich dadurch bei einem unterschiedlichen Kurs zwischen Analyseplattform und Handelsplattform nicht ausgestoppt werde. Den Ausstieg mache ich aber nicht von Hand, sondern vollautomatisch über mein Handelssystem im Bruchteil einer Sekunde per Marketorder.

 

Statistic-Trading: Hast du auch eine bestimmte Systematik bei deinen Einstiegen?

Marc Gründer: Ja. Natürlich habe ich verschiedene Strategien mit verschiedenen Einstiegssystematiken. In meiner Hauptstrategie versuche ich „vergünstigt“ dem Trend zu folgen was heißt, dass ich mich im Rücksetzer einkaufe.

 

Statistic-Trading: Was ist deiner Meinung nach wichtiger? Der perfekte Einstieg oder eine gute Stop-Loss-Systematik?

Marc Gründer: Ich denke, dass beides wichtig ist. Ohne einen guten Einstieg kann das Stop-Loss Management zwar einen größeren Schaden verhindern, aber das CRV ist dann trotzdem nicht gut. Andersherum bringt einem ein guter Einstieg nichts, wenn man durch falsches Stop-Loss Management zu früh/ zu spät rausfliegt. Das geht alles Hand in Hand.

Werden an der Börse Computer und Algorithmen alles übernehmen?

Statistic-Trading: Man spricht davon, dass an der Börse irgendwann die Computer und die Algorithmen alles übernehmen werden. Wie stehst du zu dieser Thematik?

Marc Gründer: Ich denke, sie werden mehr und mehr Aufgaben übernehmen. Aber solange wir keine bahnbrechenden Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens machen, werden die Algorithmen nur so intelligent sein wir ihr Programmierer und das ist nun mal ein Mensch wie du und ich.

 

Statistic-Trading: Und noch eine letzte Frage: Was ist deiner Meinung nach der Vorteil eines privaten Traders im Vergleich zu einer großen Vermögensverwaltung oder einem Hedgefonds? Kann doch nicht nur Nachteile haben oder?

Marc Gründer: Natürlich nicht. Er hat keinerlei Probleme sein Volumen im Markt zu platzieren. Auch kann er sein Risikomanagement betreiben wie er es für richtig hält.

 

Für alle die mehr zu diesem Thema wissen möchten, organisieren Marc Gründer und Juri Ostaschov von Statistic-Trading ein Wochenendseminar, mehr Informationen dazu können auf der Seite Statistic Trading bezogen, oder via Mail angefragt werden.

 

DISCLAIMER: Dieser Artikel drückt meine persönlichen Ideen und Ansichten aus. Jede Information die ich verbreite stammt aus Quellen die ich für glaubwürdig und passend erachte. Ich erhalte weder eine finanzielle Kompensation für das Schreiben dieses Artikels, noch bin ich Anteilseigner einer der Firmen die ich erwähne. Ich ermutige alle Leser eigene Analysen durchzuführen bevor Investitionsentscheidungen getroffen werden.

Born2Invest Staff

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